Rede auf Gedenkkundgebung für die Opfer von Halle

Primo Levi sagte: „Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen.“

Es geschieht wieder, das zeigen uns die Schüsse auf einen Politiker in Kassel und das zeigt der Angriff auf die jüdische Gemeinde in Halle. Geschehen durch Nazi Hand
Ich begrüße alle Freundinnen und Freunde einer offenen Gesellschaft.
Wir kommen hier an diesem Ort zusammen, an dem vor 81 Jahren unvorstellbares geschah. Wir wollen heute Gedenken, Erinnern, Mahnen, unsere Stimme erheben.
Vor zwei Tagen feierten Jüdinnen und Juden Jom Kippur.

Jom Kippur ist der „Tag der Sühne“. Es ist der Versöhnungstag, ein Versöhnungsfest. Jom Kippur ist der höchste jüdische Feiertag.
Diesen Tag wählte sich der Täter in Halle aus, um ein Massaker anrichten zu wollen. Er tötete zwei Menschen. Ehre ihrem Andenken.
Zum Glück verhinderte die Tür zum Gotteshaus noch schlimmeres.
Wer die Dimension dieses Angriffes an diesem symbolträchtigen Tag verstehen will, sollte sich für einen Moment vorstellen, was es bedeuten würde, wenn eine Kirche zu Heilig Abend von einem Terroristen angegriffen wird.

Für uns ist deshalb klar: Ein Angriff auf die jüdische Gemeinde ist ein Angriff auf uns alle.
Das bedeutet auch, diesen Angriff abzuwehren, ist eine Aufgabe für uns alle. Für die gesamte Gesellschaft.
Der Täter war kein Einzeltäter. Er war nicht allein. Er war global vernetzt mit anderen Rechtsextremisten rund um den gesamten Globus.
Und seine Argumente und seine Erzählung sind die, die seit 2017 auch im Bundestag von einer Partei vertreten werden. Und diese Partei hat immer weiter die Grenzen des Sagbaren verschoben. Und aus den Worten folgten Taten.

Lasst uns heute Abend einander innehalten. Lasst uns aber auch einander Kraft geben. Lasst uns dafür sorgen, dass jeder Mensch ohne Angst leben kann. Lasst uns gemeinsam aufstehen gegen Antisemitismus. Lasst uns gemeinsam aufstehen gegen Rassismus.

Lasst uns für einen antifaschistischen Konsens eintreten, der unsere Gesellschaft leitet.

“Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen: darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.”
Ich danke euch für eure Anteilnahme und ich danke euch für euer Kommen und dass wir heute hier gemeinsam füreinander da sein können. Vielen Dank.

Jan Augustyniak
Bündnis “Kein Ort für Nazis in Frankfurt (Oder)